Der Obstgarten und die Hühner

Übersetzung des Artikels „Dä Obsjaade un de Hööner“ im Holzlarer Boten, Ausgabe Dezember 2023

Vorwort von Brigitte Kuse und Jürgen Bache

In unserer Serie über das „Ahle Jriefe Huus“ haben wir verschiedene Kindheitserinnerungen aus den 50er/60er Jahren vorgestellt. Selbstverständlich haben wir diese Beiträge in Hochdeutsch geschrieben. In Wirklichkeit hat unsere Umgebung allerdings „Holzlörer Platt“ gesprochen. Daher haben wir diesmal den Text im Holzlarer Boten etwas authentischer geschrieben. Für die Ungeübten gibt es hier eine Übersetzung:

Der Obstgarten und die Hühner

Wenn wir Kinder in der Mittagszeit beim Spielen im Hof zu viel Krach gemacht hatten – Singen, Zanken, Rufen und sowas – dann kam die Uroma aus ihrer Küche herausgelaufen und war am schimpfen, wegen dem Lärm. Und die Kinder mussten dann hinters Haus in den Obstgarten gehen und da weiterspielen. Da konnten sie keinen stören, weil da war ja keiner, nur die Hühner. Krach machen in der Mittagszeit, nee, das ging gar nicht!

So schlimm war das jetzt aber auch nicht mit dem Garten, denn da waren ja die Apfelbäume und die Birnbäume und die Kirschbäume und die Pflaumenbäume. Aber das Obst vom Baum herunterpflücken und vernaschen, das durften wir nicht. Das ganze Obst war dafür da, in Gläser eingekocht zu werden, für den Winter. Nur Fallobst durfte man essen, denn das war ja von allein vom Baum heruntergefallen und das konnte man ja gar nicht mehr einkochen, weil das war ja angekitscht und würde faulen in dem Glas. Dann gingen die Gläser nämlich alle von allein wieder auf, und das war eine Riesenschweinerei und roch sehr übel.

Wenn wir die Bäume so ein bisschen schüttelten, dann kamen die Äpfel und Birnen und Pflaumen ganz von allein herabgeflogen und dann durften wir sie ja essen, weil, jetzt waren sie ja Fallobst, denn jetzt waren sie ja angekitscht. Und das selbstgemachte Fallobst war ja auch viel besser als das Echte. In dem selbstgemachten Fallobst waren nämlich immer Maden drin, sonst wäre es ja nicht von allein vom Baum gefallen, das kam ja von den Maden, die da drin waren, in dem Obst. Und wenn man dann nicht aufpasste, und in so eine Made hineinbiss, aus Versehen, neee, das war gar nicht schön. Da war das selbstgeschüttelte Fallobst wirklich besser.

Man hätte ja auch die Maden herausschneiden können, aus dem Fallobst, aber das ging gar nicht, weil, wir Kinder durften ja kein Messer haben. Messer durften nur die großen Leute haben, und die hatten überhaupt gar keine Zeit, um den Kindern die Maden aus dem aus den Äpfeln herauszuschneiden, deshalb musste man immer um die Maden drumherum essen. Aber das klappt auch nicht immer so, wie es soll, und dann hat man die Made zwischen den Zähnen. und das ist gar nicht schön.!

Hinter dem Haus, da waren auch die Hühner – wenn sie nicht gerade im Hof auf dem Mist herum scharrten. und da konnte man richtig gut mitspielen. Wenn man ihnen einen Regenwurm in den Hühnerpferch hineinwarf, dann kamen die alle angerannt und zankten sich darum, wem der Wurm nun eigentlich gehört.

Und manchmal, da durften wir die Hühner auch füttern. Wenn man bei uns die Hühner rufen wollte, dann musste man immer ganz laut rufen: „Piiiepiepiepiepiep“, und dann kamen unsere Hühner angelaufen. Die anderen Leute im Dorf, die auch Hühner hatten, riefen immer: „Puuutputputputput“ und dann kamen denen ihre Hühner angelaufen.

Aber, wenn wir Kinder die Hühner rufen wollten, dann kamen die gar nicht, – nicht mit „Piep“ und nicht mit „Put“. Nur wenn man das Hühnerfutter bereits in der Hand hatte und damit herumrappelte und -wedelte, dann kamen sie, aber sonst nicht.

Eigentlich macht es ja Spaß, die Hühner zu füttern. Man muss das Futter in einem ganz großen Bogen ausstreuen, hatte die Oma immer gesagt, damit die Hühner sich nicht, um das Futter zanken. Wenn man das alles auf einen Haufen wirft, dann kriegen die sich nämlich ganz hässlich in die Wolle – oder, besser gesagt: in die Federn.

So mit einem großen Bogen zu füttern ist sicher am besten für die Hühner. Aber es ist auch ganz langweilig, da passiert ja rein gar nichts. Also, viel Spaß macht das so nicht. Wenn man aber das Futter auf einen ganz kleinen Haufen wirft, dann ist was los! Zuerst kommt das Oberhuhn angeflattert und wirft sich mitten in die Futterkörner hinein Dann kommen die anderen Hühner angerannt und es gibt eine ordentliche Klopperei. Alle sind sie am picken und mit den Füßen am kratzen und mit den Flügeln am flattern, und der Hahn sitzt in der Ecke und traut sich gar nicht an das Futter heran.

Das macht natürlich einen ordentlichen Lärm, und wenn die Oma gelaufen kam, um nach den Hühnern zu sehen, wegen dem Lärm, dann musste man als Kind ganz schnell ein bisschen jammern, dass man hingefallen ist, und dass einem das Futter aus der Hand gefallen ist, und dass einem das ganz toll leidtut, und dass man da überhaupt garnichts für kann.

Und dann war die Oma froh, dass den Kindern nichts passiert ist, und mit viel „Piepiepiep“ wurden die Hühner gebändigt, und alles war gut. Zanken darf man die Hühner aber nicht, weil, sonst legen die keine Eier mehr.